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Schein trügt

Trotz vorsichtiger Annäherung zwischen Taiwan und China: „Anwendung von Gewalt bleibt Option“

Xi Jinping
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Auf der diesjährigen Tagung des Nationalen Volkskongresses gab sich Xi Jinping gegenüber Taiwan relativ versöhnlich.

Zwischen China und Taiwan gab es zuletzt Zeichen einer vorsichtigen Annäherung. Klar ist aber auch: Peking will die „Wiedervereinigung“ – notfalls mit militärischen Mitteln.

München/Peking/Taiwan – Als Xi Jinping zum Abschluss des diesjährigen Volkskongresses auf Taiwan zu sprechen kam, klang Chinas Staats- und Parteichef überraschend milde. „Die vollständige Wiedervereinigung des Mutterlandes ist das gemeinsame Bestreben aller chinesischen Söhne und Töchter“, erklärte der 69-Jährige am Montag vor Chinas Abnickparlament. „Die friedliche Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden Seiten der Taiwan-Straße muss aktiv gefördert werden.“ Auch der neue Ministerpräsident Li Qiang schlug versöhnliche Töne an. Auf seiner ersten Pressekonferenz sagte Chinas Nummer zwei, Peking wolle „den wirtschaftlichen und kulturellen Austausch“ mit Taiwan vorantreiben, schließlich sei man „eine Familie“.

Nur ein paar Monate zuvor, auf dem Parteitag von Chinas Kommunisten, hatte Xi Jinping noch deutlich martialischere Worte in den Mund genommen. „Wir werden niemals versprechen, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten, und wir behalten uns die Möglichkeit vor, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen“, polterte Xi damals. „Taiwan ist Chinas Taiwan.“

Von roher Gewalt war nun keine Rede mehr. Offenbar hat man in Peking registriert, dass das Säbelrasseln der letzten Monate nicht nur die Taiwaner, sondern auch die Europäer immer weiter von China entfremdet. Statt einen Krieg um Taiwan zu führen, so tönt es aus Peking in diesen Tagen, müsse man vielmehr „den Prozess der friedlichen Wiedervereinigung vorantreiben“. Nur: Wie soll das gehen?

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wird das Land seit 2016 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

„Eine friedliche ‚Wiedervereinigung‘ Chinas mit Taiwan wird zunehmend unwahrscheinlich“

Die Regierung in Peking betrachtet Taiwan als Teil des eigenen Staatsgebiets, obwohl der demokratisch regierte Inselstaat nie Teil der Volksrepublik war. Helena Legarda, Sicherheitsexpertin bei der China-Denkfabrik Merics, glaubt nicht daran, dass der Konflikt gewaltfrei gelöst werden kann. „Eine friedliche ‚Wiedervereinigung‘ wird zunehmend unwahrscheinlich. Die Menschen in Taiwan wollen das nicht“, sagt Legarda im Gespräch mit dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA. Die Expertin verweist auf Umfragen, nach denen sich weniger als jeder zehnte Taiwaner eine Vereinigung mit China vorstellen kann. „Immer weniger Menschen in Taiwan fühlen sich chinesisch“, sagt Legarda. „Stattdessen bildet sich eine taiwanische Identität heraus.“ Kein Wunder: Taiwan ist eine lebhafte Demokratie, die Volksrepublik ein Ein-Parteien-Staat

Die Beziehungen zwischen Peking und Taipeh waren in den vergangenen Monaten so angespannt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Auslöser war der Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi, der damaligen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, im vergangenen August. China, das Kontakte zwischen ausländischen Politikern und der Regierung in Taipeh ablehnt, reagierte mit großangelegten Militärmanövern rund um Taiwan.

Auch Pelosis Nachfolger Kevin McCarthy wollte eigentlich schon in den kommenden Wochen nach Taipeh fliegen. Doch Präsidentin Tsai Ing-wen konnte den Republikaner offenbar davon überzeugen, seinen Besuch abzusagen, um China nicht zu sehr zu verärgern. Stattdessen wird sie McCarthy wohl bei einem Zwischenstopp in den USA treffen.

Chinas Chef-Ideologe sucht angeblich neue Strategie im Umgang mit Taiwan

Die Taiwaner wählen im kommenden Jahr einen Nachfolger von Tsai Ing-wen, die nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten darf. Wenn in einigen Monaten der Wahlkampf beginnt, will sich Tsais Demokratische Fortschrittspartei offenbar nicht den Vorwurf anhören müssen, sie sei für eine weitere Eskalation mit China verantwortlich. Wohl auch deshalb geht Taipeh derzeit auf China zu – wenn auch vorsichtig und mit Trippelschritten. So kündigte die Regierung vor Kurzem an, wieder mehr Direktflüge zwischen China und Taiwan zu genehmigen, als Geste des guten Willens, wie es hieß. Gleichzeitig ist Taiwan wirtschaftlich weiter stark abhängig vom chinesischen Markt.

Auch Taiwans größte Oppositionspartei, die traditionell eher Peking-freundliche Kuomintang (KMT), startete unlängst eine Charmeoffensive in Richtung China. Anfang Februar reiste Andrew Hsia, Vizeparteichef der KMT, nach Peking. Dort traf er mit Wang Huning zusammen, Chinas Chef-Ideologen.

Angeblich, so berichtete Ende Januar der Wirtschaftsdienst Nikkei Asia, will Wang eine neue Strategie im Umgang mit Taiwan ausarbeiten. Bislang plant China, Taiwan nach einer „Wiedervereinigung“ nach dem Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ zu regieren, ähnlich wie auch Hongkong. Nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung in der einstigen britischen Kronkolonie ist das für die allermeisten Taiwaner allerdings keine allzu verlockende Option, deshalb soll offenbar eine Alternative gefunden werden. „Es ist möglich, dass Wang Huning versucht, diesem Angebot einen neuen Anstrich zu verleihen“, glaubt die China-Expertin Helena Legarda. „An den grundlegenden Zielen der chinesischen Führung wird sich aber nichts ändern.“

China und Taiwan: „Status quo ist die beste Option“

Umfragen zeigen, dass neun von zehn Taiwanern den Status quo beibehalten wollen. Das heißt: keine „Wiedervereinigung“ mit China, aber auch keine formelle Unabhängigkeitserklärung. „Theoretisch wäre das für alle Seiten die beste Option“, sagt Merics-Expertin Legarda. Staatschef Xi Jinping habe eine Lösung der Taiwan-Frage allerdings immer wieder zur „historischen Mission“ verklärt. „Chinas Führung hat sich in eine Lage gebracht, aus der sie kaum mehr herauskommt“, sagt Legarda. Zwar wolle auch China nicht, dass es zu einer militärischen Eskalation kommt, zumal sich die USA im Ernstfall wohl auf die Seite der Taiwaner stellen würden. „Aber man behält es sich als letzte Option vor.”

Das weiß man auch in Taipeh nur allzu gut, trotz aller vorsichtiger Zeichen einer Entspannung. Anfang der Woche erst präsentierte das taiwanische Militär neue, im eigenen Land produzierte Kampfdrohnen. Die Drohnen sollen Taiwan helfen, seine Fähigkeiten bei der „asymmetrischen Kampfführung“ zu stärken. Man will vorbereitet sein, sollte China eines Tages doch den Angriffsbefehl geben. Zumal Pekings Volksbefreiungsarmee weiterhin ihre Muskeln spielen lässt und täglich Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe in Richtung Taiwan schickt. Alleine am Mittwoch zählte das taiwanische Verteidigungsministerium 28 chinesische Jets in unmittelbarer Nähe der Insel.

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